Kammern des Schreckens

Montag, 28. Juli 2014

Ein unvergleichliches Meisterwerk

Haruki Murakami
1Q84
1+2



Das hier hat nichts mit dem einfachen Entschwinden von Realität zu tun, auch nicht mit dem Vermischen mehrerer. Und wenn man glaubt, der einen Realität zu entschwinden, weil man in den Sog einer anderen gerät, was sind die Informationen wert, die man in mühseliger Lebenszeit angehäuft hat?

Eine Liebesgeschichte über Zufall und Schicksal, über die vielen Facetten eines Urteils, über die Macht einzelner Wesen über andere. Ist unsere heimliche, intime und ganz eigene Realität womöglich ebenso real und offensichtlich wie die uns bekannte? Ich will keineswegs eine genaue Beschreibung der Handlung geben. So ist sie mit der wirklichen Unvorhersehbarkeit unseres Lebens vergleichbar.


Das beste Buch, das ich seit langem, langem gelesen habe.

Ich glaube kaum, mit einer Bewertung diesem Werk je gerecht werden zu können. Genauso hoffe ich inständig, dass meine Überschwänglichkeit ihm nichts von seinem Zauber nehmen wird.
Längst ist Murakami kein Geheimtipp mehr. Ich schäme mich beinahe dafür, dass ich erst durch einen Wink meiner ehemaligen Deutschlehrerin auf ihn aufmerksam geworden bin.
Spätestens seit der Pilgerreise des farblosen Herrn Tazaki sollte eigentlich jeder den Autor kennen, von dem viele Stimmen bedauern, dass er den Literaturnobelpreis nicht bekommen hat.

1Q84 ist nicht nur, wie vorschnelle Zungen laut werden lassen, schlicht eine Hommage an Orwells 1984
Es ist, als würde die Zukunftsvision aus der Vergangenheit ihre Klauen verschränken mit der Vision einer parallelen Realität von der Vergangenheit - aus der Gegenwart. Und sogar der Sex, der meiner Meinung nach bei übermäßigem Vorhandensein in Romanen ein Risikofaktor ist, schafft es, unaufdringlich zu sein, nicht nach Aufmerksamkeit zu heischen, obwohl er durchaus präsent ist und die vorherrschende Atmosphäre in bestimmte Bahnen lenkt.
Alles greift irgendwie verworren ineinander über, verworren und doch mit so perfekter Zielgenauigkeit, dass man das Unbehagen eines Beobachteten fühlt.

Die Charaktere sind echt, davon bin ich überzeugt, es muss sie wirklich geben: Wie sonst könnte ich ihren Atem im Nacken spüren? Sie sind anwesend und ich lerne sie kennen, wie sie auch mich kennenzulernen scheinen. 
Es geht eine düstere Faszination von den ersten beiden Teilen aus, und trotz vieler Wiederholungen werden die Augen nicht satt. Das Gehirn ebenso wenig. Und was sonst noch so eine Rolle spielt. Sicherlich auch die Nieren.

Die Erwartungen liegen nun verdammt hoch, was den dritten (und letzten) Teil betrifft. Vielleicht verderbe ich hierdurch auch vielen zukünftigen Lesern den Spaß am Roman. Das meinte ich eben mit der Überschwänglichkeit. So viel sei also gesagt: Dieses Buch ist echt mies, kauft es trotzdem.

*  *  *
Verlag und Bildquelle: btb
Erscheinungsdatum: 10.09.2012
Seiten: 1024 (Taschenbuch)
ISBN: 978-3-442-74362-9
Preis: 14,99€ [D]


Sonntag, 27. Juli 2014

Immer diese Liebster-Awards

Diesmal hat mich Eva von Lieblingsecke für den Liebster-Award getaggt. Ich habe leider keine große Lust, nachher noch wen zu taggen, weil ich das ja schonmal gemacht habe. Auf das Fragenbeantworten freue ich mich deshalb nicht weniger. Danke, Eva!



1. Hast du ein Lieblingsgenre?
Das ist für mich komischerweise immer schon die schwerste Frage. Keine Ahnung! Ich lese alles. Klassiker, Krimis, was sich so ergibt. Ich weiß nicht einmal, ob ich schlechte Science-Fiction weniger mag als schlechte Frauenromane. Oh, aber ich glaube, ich bin noch nicht so im Erotikroman-Alter!

2. Wie viele Bücher liest du durchschnittlich im Monat?

Mindestens 4.

3. Was ist, deiner Meinung nach, die beste Buchverfilmung und wieso?

Ich schlage mich da auf die Mainstream-Harry-Potter-Seite.

4. Bestellst du deine Bücher online oder gehst du lieber in den Laden?

Bei mir geht nichts über das Stöbern im Buchladen. 

5. Welche Buchreihe ist deine Lieblingsreihe?

Siehe 3.

6. Liest du Bücher, weil du hörst, dass sie verfilmt werden bzw. bald ins Kino kommen?

Das ist für mich kein Kaufkriterium, außer wenn mir zum Beispiel der Trailer so gut gefällt, dass ich das Buch vorher gelesen haben möchte.

7. Hast du einen Lieblingsautor?

Da kann ich mich kaum entscheiden, aber ich mag die Werke von Hemingway und Murakami sehr gern.

8. Wie groß ist dein SuB?

Verstopft mein Zimmer.
  
9. Gibt es ein Auswahlverfahren, wie du dein nächstes Buch auswählst?

Irgendwie habe ich immer Lust auf ein bestimmtes Buch, und wenn ich mich nicht entscheiden kann, lese ich mehrere gleichzeitig.

10. Ist ein schönes Buchcover ein Kaufkriterium für dich?

Manchmal. Es ist auf jeden Fall ein großer Stöber- und Betrachtungsgrund. 

11. Wer ist dein liebster Protagonist?

Momentan Tengo aus 1Q84.

ENDE
*  *  *

Wie weit?


Tomas Überall
Dieses Loch ist weit entfernt von Spaß
Bizarre Hotelbewertungen aus aller Welt



Urlaube sind für viele Menschen ein Grund, weshalb sie überhaupt arbeiten. Sie sind der Lichtblick unseres Jahres, für viele Menschen der Lichtblick ihres Facebook- oder Twitterprofils. Urlaube sind oft auch ein Statussymbol. Schade nur, wenn anstelle von Pools und King-Size-Betten löchrige Planschbecken und Luftmatratzen auf den gestressten Fluggast warten. Wenn es im Bad mehr Kakerlaken als freundliches Personal im gesamten Hotel gibt. Wenn mindestens einer der Sterne einen Knick hat. 

Wer auch immer hinter Tomas Überall steckt, er/sie(/es) trägt in diesem Unterhaltungsbuch Schnipsel der Verzweiflung enttäuschter Urlauber zusammen, von dem Übersetzungscomputer irgendeiner unbekannten Internetseite bisweilen ins Bizarre übersetzt (jedenfalls weniger ins Deutsche). 

Man könnte sagen, es handle sich um den Versuch, einem verpatzten Aufenthalt den Spiegel eines Clowns gegenüber zu stellen. Das Desaster aus der Metaebene zu betrachten, sodass man darüber nach Herzenslust lachen kann, anstatt auf dem kaputten Lattenrost zu sitzen, den vor Schmerz pochenden Kopf in den verschmutzten Händen haltend (weil es kein fließend Wasser gibt) und zu schluchzen und zu weinen und überhaupt.

Das Buch war mir also zu Anfang sympathisch. Der Veröffentlichungszeitpunkt war natürlich clever gewählt, die Leser selbst schon im Urlaubsfieber. Ich kann mir folgende Szene vorstellen: Jemand kauft dieses Buch für seinen eigenen Urlaub. Zufällig entpuppt sich sein Reiseziel als eine Enttäuschung; er ist der Verzweiflung nahe. Da ist ihm Dieses Loch ist weit entfernt von Spaß ein kleiner, aber immerhin ein Trost. Er findet sich in den oft zynischen Geschichten der Opfer wieder und schöpft neue Kraft: Wenn die es noch posten konnten, haben sie überlebt. Wenn die überlebt haben, schaffe ich das auch.
Er lernt, diese suboptimale Zeit mit den Augen eines Abenteurers zu sehen, nicht zu verzagen, über Absurdes zu lachen. Nicht schlecht!

Davon abgesehen plane ich keine Komplimentausschüttung. Selbstredend handelt es sich nicht um ein Buch, welches dazu gedacht ist, wie ein Roman von vorn bis hinten in einem Stück durchgelesen zu werden. Es ist eher als Snack gedacht, dass man ab und zu mal hineinschaut und sich an den seltsamen Sätzchen erfreut - je schadenfroher der Leser, desto größer sein Genuss. Ich musste an manchen Stellen wirklich lachen. Anderswo konnte ich nur schmunzeln. Häufig erwies sich die Sinnverschandelung durch den Sprachcomputer jedoch nicht als Gewinn. 

Nach einem wirklich einigermaßen gelungenen Drittel (in etwa) scheint die CD durchgelaufen zu sein, nun beginnt sie wieder bei Track 1. Es kommt nichts Neues mehr, keine Überraschung, dabei ist das Herz eines Witzes die Überraschung. Oder nicht? 
Es gibt sicherlich zahlreiche unterschiedliche Erfahrungen, die in einem schlechten Urlaub gemacht werden können, aber für zweihundertfünfunddreißig abwechslungsreiche Seiten scheint es doch nicht zu reichen. Egal, ob man nur zwischendurch liest oder am Stück.
Auch die Einleitungen zu den jeweiligen Kapiteln hätten knapper ausfallen, oder ganz weggelassen werden können. Die Titel an sich sagen schon genug über das Folgende aus, die Einleitungen (wenn man sie überhaupt liest) wirken unpassend zeitverzögernd, zumal uninteressant.

Wenn es sich bei dem Leser dieser Rezension um jemanden handelt, der Trost und Lacher braucht, kann er sich für einen Zehner dieses Buch kaufen. Schokolade oder mal wieder ein Gespräch mit guten Freunden kostet selbstverständlich weniger - bringt auch mehr. Für alle anderen für den Preis nicht unbedingt empfehlenswert, wenn es sich auch um ein schönes Geschenk handeln könnte. Für Hoteltester.


Von Tomas Überall gibt es eine Website, auf welcher man, sofern man nicht schon übersättigt ist, weitere Posts und auch Bilder in bekanntem Stil betrachten kann: Tomasueberall

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Verlag und Bildquelle: Piper
Erscheinungsdatum: 12.05.2014
Seiten: 240 (Taschenbuch)
ISBN: 978-3-492-30577-8
Preis: 9,99€ [D]